Gewerbeverkehr // 19.02.2019
Bereits seit 2013 engagiert sich die Landeshauptstadt Stuttgart für den Betrieb von elektrisch angetriebenen Taxis. Die Vision ist klar: in Zukunft sollen alle Taxis im Stadtbereich mit elektrischem Antrieb, also emissionsfrei, fahren. Im Jahr 2018 ist mit der Beauftragung zur Errichtung von drei Schnellladestationen für Taxis an zentralen Standorten ein wichtiger Meilenstein erreicht. Im April 2019 soll die Ladeinfrastruktur betriebsbereit sein.
Aufstellorte
Die Schnellladestationen werden am Marienplatz, am Ostendplatz und am Pragsattel installiert. An diesen Plätzen befinden sich bereits Taxisammelplätze, die nun um die Ladeinfrastruktur erweitert werden.
Eine Lademöglichkeit für Taxis am Hauptbahnhof ist ebenfalls beabsichtigt. Allerdings wird dies erst konkretisiert, sobald die größeren Umbauarbeiten am Bahnhof abgeschlossen sind.
Jede Schnelladestation bietet einen Ladepunkt mit einer Ladeleistung von 50 kW (DC) und einen weiteren mit 11 kW (AC). Letzteres dient der Versorgung des Fahrzeugs während des Ladevorgangs (z. B. Heizung, Beleuchtung, Kommunikation etc.)
Die Kosten für die Errichtung der drei Schnelllader (ABB Terra) liegt bei ca. 200.000 €. Davon entfallen ungefähr 100.000 € auf die reine Hardware und 100.000 € auf die Errichtung (Tiefbau, Rammschutz, Netzanschluss etc.). Die Wartungs- und Betriebskosten liegen bei ca. 15.000 € pro Jahr für die drei Ladesäulen.
Herangehensweise
Nach der erfolgreichen Testphase im Projekt „GuEST“ wurde 2017 eine Studie in Auftrag gegeben, die durch das BMVI gefördert wurde. Die Institute bridging IT und ISME haben gemeinsam an der Entwicklung eines passenden Fördermodells für E-Taxis gearbeitet, ein Lade- und Standortkonzept entwickelt und eine Kommunikationsstrategie zur Implementierung der Maßnahmen erarbeitet.
Im Anschluss daran wurde im Jahr 2018 auf Verwaltungsebene eine passende Förderrichtlinie entwickelt und die technische Kompetenz zur Errichtung der Schnelllader aufgebaut. Die Landeshauptstadt hat sich bewusst dafür entschieden die Ladeinfrastruktur eigenständig über die Stadtwerke zu betreiben und diese Aufgabe nicht an Dritte zu übertragen. Dadurch möchte man sicherstellen, dass die Strompreise für die E-Taxis langfristig günstig bleiben. Der Kilowattstundenpreis soll vergleichbar günstig sein wie der normale Haushalts-Ökostrom-Tarif der Stadtwerke. Abgerechnet wird mit Hilfe einer Ladekarte, die an interessierte Taxiunternehmen ab April 2019 ausgegeben wird.
Fördermöglichkeiten
Die Landeshauptstadt Stuttgart setzt auf Anreize für die Anschaffung und den Betrieb von E-Taxis. Sie fördert daher E-Taxis über einen Zeitraum von drei Jahren mit monatlich 200 €. Voraussetzung dafür ist, dass diese außen gut sichtbar als „E-Taxi“ gekennzeichnet sind. Insgesamt wird hier in Höhe von 7.200 € gefördert. Zusätzlich können der Umweltbonus (4000 €), eine Landesförderung (5000 €) und ggf. Fördermittel des Bundes aus dem „Sofortprogramm Saubere Luft“ in Anspruch genommen werden.
Darüber hinaus hofft man darauf, dass in 2019 zum Startzeitpunkt der Schnelllader und der Zuschüsse weitere Fahrzeuge – auch als Taxi-Modelle – verfügbar sind und das Fahrzeugangebot für die Taxibranche attraktiver wird.
Herausforderungen
Eine Herausforderung beim Betrieb von elektrischen Taxis ist die Koordination der Reihenfolge der Taxis am Taxistand. Bei konventionellen Taxis ist dies schlicht durch den Platz in der Warteschlange geregelt. Ein elektrisches Taxi hingegen muss zum Laden die Schlange verlassen und würde somit seinen Platz in der Reihenfolge verlieren. In Stuttgart hat man sich daher entschieden, die Reihenfolge der Taxis über die Zentrale zu regeln. Diese legt die Reihenfolge der Taxis fest, so dass durch den Ladevorgang kein wirtschaftlicher Nachteil für die Fahrer entsteht.
Das Modell wurde gemeinsam mit den Taxiunternehmen entwickelt und wird in der Praxis getestet. Man hat sich bewusst darauf eingestellt in diesem Bereich ggf. zu experimentieren und zu lernen, um eine bestmögliche Lösung zu finden. Auch weiterhin wird es daher einen engen Austausch mit den Taxiunternehmen geben.
Die Taxibranche hat in den vergangenen Jahren immer wieder Verunsicherungen durchlebt. Sei es durch die Entwicklung konkurrierender Fahrdienste, durch neue Mobilitätsmodelle wie Carsharing, Ridesharing o. ä. oder auch durch die Fahrverbote von Dieselfahrzeugen in Innenstädten. Die Taxibranche reagiert daher auf Veränderungen sehr sensibel.
Im Rahmen der Förderung von E-Taxis wurde daher Wert auf eine regelmäßige Kommunikation mit den betroffenen Taxisunternehmen gelegt. Ideen und Lösungen wurden gemeinsam entwickelt und abgestimmt. Im Fokus stand dabei explizit die Schaffung von positiven Anreizen zum Einstieg in die Elektromobilität.
Da die Taxibranche in Stuttgart relativ kleinteilig organisiert ist (überwiegend 1-2 Personen-Betriebe), war ein langer Atem mit vielen Anläufen nötig, um alle Beteiligten ins Boot zu holen. Mit viel Ausdauer ist es gelungen, die zersplitterten Verbände an einen Tisch zu bekommen und eine langfristig angelegte, vertrauensvolle Zusammenarbeit zu etablieren.
In wiederkehrenden Workshops wurden jeweils Branchenvertreter über den aktuellen Planungsstand informiert und um Rückmeldung gebeten. Als anspruchsvoll stellte sich dabei insbesondere heraus, die langen Planungszeiträume, rechtlichen Vorgaben und komplexen Zuständigkeiten einer Großstadtverwaltung zu vermitteln. Wechselnde Ansprechpartner auf Verbändeseite haben das Etablieren „Runder Tische“ anfangs erschwert.
Wichtige Erfahrungen
Die Grundsatzentscheidung, ob die Ladeinfrastruktur in Eigenregie der Kommune oder durch Dritte betrieben wird, hat weitreichende Auswirkungen. Soll eine Schnellladeinfrastruktur wirtschaftlich betrieben werden, muss diese zunächst dauerhaft hoch ausgelastet sein. Bei zu geringer Auslastung wäre ein wirtschaftlicher Betrieb nur zu höheren Strompreisen möglich, was unter Umständen ein Hemmnis zum Umstieg auf elektrische Taxis darstellt. In Stuttgart hat man sich daher entschieden, die Errichtung und den Betrieb der Infrastruktur zu fördern und die Stromkosten für die Taxis auf einem mit dem Haushaltsstrom vergleichbaren Niveau zu halten.
Die Aufstellorte für die Ladeinfrastruktur sollten sorgfältig ausgewählt werden. Sie müssen sich insbesondere an den Bedürfnissen der Taxifahrer orientieren, so dass sich der Ladevorgang möglichst reibungslos in die vorhandenen Betriebsabläufe integrieren lässt. Die Auswahl der Ladeorte sollte daher gemeinsam mit dem Taxi Gewerbe diskutiert werden.
Im Stuttgarter Fall wurden von allen Taxistandorten zunächst durch Befahrung und anhand Kartenmaterial Steckbriefe erstellt. Dabei wurden Kriterien wie die Zufahrtsmöglichkeit, Potentielle Besucherfrequenz, Auslastung im Tagesverlauf, Größe des Taxistandes etc. erhoben oder abgeschätzt. Die so ermittelten Standorte wurden in mehrere Kategorien eingeteilt (A bis C) wobei A-Standorte am aussichtsreichsten für den Erfolg des Projektes waren. Diese A-Standorte wurden genauer untersucht.
Bei der Auswahl der Ladeorte sollte ebenfalls geprüft werden wie die Ladeinfrastruktur an das Stromnetz angeschlossen werden kann. Je nach Ausgangssituation kann der (finanzielle) Aufwand und der Zeitbedarf dafür deutlich variieren. Eine frühzeitige Einbindung des örtlichen Verteilnetzbetreibers (hier: Stuttgart Netze) ist dringend angeraten und kann viel Zeit und Missverständnisse sparen. So wurde statt eines langfristig wünschenswerten, aber an den gewünschten Standorten viel zu teuren Netzanschlusses mit 150 kW Leistung die schneller und günstiger realisierbare Variante mit 61 kW Anschlussleistung gewählt.
Key facts
Partner
ISME, bridging IT
Förderung
BMVI (Umsetzungsstudie), Land Baden-Württemberg (Kaufzuschuss)
Kontakt:
Michael Hagel
Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Strategische Planung und nachhaltige Mobilität
Koordinator Elektromobilität
Marktplatz 1
70173 Stuttgart
T: 0711 / 216 – 60702
Mail: michael.hagel@stuttgart.de
Web: www.stuttgart-meine-stadt.de/content/bbv/details/139