ÖPNV // 16.01.2023
Die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) setzen auf moderne und zukunftsfähige Mobilität und gehen über die Vorgaben der Clean Vehicle Directive (CVD) hinaus: Bis 2040 soll der gesamte ÖPNV in Leipzig CO2-neutral sein.
Die ersten Versuche in punkto Elektrobusse reichen bis ins Jahr 2007 zurück. Damals wurde ein Testeinsatz mit einem Hybridbus gestartet. 2016 folgte der erste Elektrobus als Versuchsträger auf der Linie 89. Mittlerweile sind drei Buslinien mit 21 Fahrzeugen vollständig elektrifiziert, weitere Busse in der Beschaffung und der Betriebshof mit Ladeinfrastruktur umgebaut. Ein wichtiger Meilenstein für diese Entwicklung war im Jahr 2018 der Gesellschafterbeschluss der Verkehrsbetriebe umfänglich auf elektrische Antriebe für den ÖPNV zu setzen.
Start mit Machbarkeitsstudie
Um eine realistische Vorstellung von den Möglichkeiten und Herausforderungen der Elektrifizierung des ÖPNV zu bekommen, haben die Leipziger Verkehrsbetriebe im Jahr 2017 eine Machbarkeitsstudie vom Fraunhofer IVI erstellen lassen. Dabei wurde insbesondere untersucht, inwieweit die verschiedenen Umläufe für eine Elektrifizierung geeignet sind.
Eine besondere Herausforderung in Leipzig sind die langen Umläufe von bis zu 400 Kilometern pro Tag. Eine reine Depotladung kam für diese Linien also nicht in Frage. Die Batteriekapazitäten der Busse wären dafür nicht ausreichend. Die Empfehlung der Studie lautete, auf eine Kombination von Gelegenheitsladen (Opportunity charging) an den Endhaltestellen und schonender Übernachtladung im Depot zu setzen. Die Einführung solle schrittweise über drei Linien erfolgen und ohne zusätzlichen Personal- und Fahrzeugaufwand realisiert werden.
Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur
Seit 2007 haben die LVB über mehrere Jahre Erfahrungen mit dem Betrieb von einzelnen Hybridbussen gesammelt. Dadurch konnten erste Erfahrungen mit elektrischer Antriebstechnologie gemacht werden, Fachkenntnisse aufgebaut und die eigene Werkstatt entsprechend erweitert werden.
Im Jahr 2018 wurde der Förderantrag zur Elektrifizierung von drei Linien durch das BMU bewilligt. Die Förderung umfasste 38 Fahrzeuge, neun Schnellladestationen für die Endhaltestellen sowie 38 Ladepunkte am Betriebshof.
2019 folgte die europaweite Ausschreibung für zunächst 21 Fahrzeuge und der dazugehörigen Ladeinfrastruktur. Die ersten Fahrzeuge wurden 2020 ausgeliefert, so dass 2021 ein Probebetrieb auf der Linie 89 stattfinden konnte. Seit September 2021 fahren hier insgesamt sieben batterieelektrische Fahrzeuge im 10-Minuten-Takt.
Die Linie 89 wurde für den Start ausgewählt, da sie eine der kürzesten Linien ist und sich am einfachsten umstellen ließ. Darüber hinaus führt die Linie direkt durch die Innenstadt und ist somit in besonderer Weise für die Öffentlichkeit sichtbar und erlebbar. Auch der erste Elektrobus fuhr auf dieser Linie, die Ladeinfrastruktur war daher bereits vorhanden.
Im September 2021 erfolgte zusätzlich der Probebetrieb mit Elektrobussen auf den Linien 74 / 76.
Bis Ende 2022 werden voraussichtlich 17 elektrisch betriebene Gelenkbusse geliefert, die auf den Linien 60 und 72/73 zum Einsatz kommen. Bis dahin soll auch die notwendige Ladeinfrastruktur gebaut sein – die Baugenehmigungen dafür liegen mittlerweile größtenteils vor.
Die Ladung der Busse erfolgt während des Betriebs an den Endhaltestellen. Dazu fahren die Fahrzeuge unter eine Ladehaube und werden im Rahmen der üblichen Wendezeiten ca. 10 Minuten lang mit bis zu 320 kW geladen. Im Regelbetrieb wird ein Ladestand der Batterien von 60-70 Prozent möglichst nicht unterschritten, so dass stets ausreichende Reserven vorhanden sind, falls eine Ladestation nicht angefahren werden kann (z. B. durch einen technischen Defekt, Falschparker etc.). Geladen werden die Busse mit 100 Prozent Ökostrom.
Ergänzend zum Gelegenheitsladen an der Strecke werden die E-Busse über Nacht im Depot schonend geladen, um eine optimale Batteriepflege zu gewährleisten.
„Die Planung und Genehmigung der Ladeinfrastruktur war die größte Herausforderung. Wir haben versucht alle beteiligten Stellen und Personen frühzeitig einzubinden. Trotzdem bleibt es eine harte Aufgabe, die zeitlich schwer zu planen ist und viel Flexibilität und Geduld erfordert.“
Torsten Schmidt, Projektleiter/Koordinator Elektrobus bei der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH
Umbau des Betriebshofs Lindenau
Herausfordernd war der Umbau des Betriebshofs Lindenau, der im Frühjahr 2021 parallel zum laufenden Betrieb startete: Während der Umbauphase musste weiterhin Platz für die bestehende Flotte von 186 Fahrzeugen vorgehalten werden. Dazu wurde eine Ausweichfläche vorbereitet (Installation von Beleuchtung, Internet, Sanitäranlagen, Pausenräumen, Platz für Fahrzeugreinigung etc.), die sich 2,5 Kilometer entfernt vom Betriebshof befindet. Gleichzeitig wurden die Tiefbauarbeiten auf dem Betriebshof abschnittsweise vorgenommen, so dass zumindest Teile der Werkstatthallen für die Fahrzeuge zugänglich waren. Die ausführende Baufirma hat hier ein hohes Maß an Flexibilität eingebracht.Der Umbau des Betriebshofs umfasst die Sanierung der Verkehrs- und Abstellflächen, sowie die Errichtung eines neuen Bus-Ports mit zehn überdachten Fahrspuren und Platz für die Ladeinfrastruktur von bis zu 50 E-Bussen – eine Erweiterung ist bereits in Planung.
Aktuell sind zunächst 38 Ladepunkte in Betrieb, um die im Jahr 2020 und 2021 bestellten E-Busse von VDL mit Strom zu versorgen. Die Ladung erfolgt jeweils über einen Pantografen-Lader von Siemens (Sicharge UC 100/UC200) mit einer Leistung von bis zu 200 Kilowattstunden.
Um die Ladekapazitäten sicherzustellen, wurde ein neuer Mittelspannungsanschluss mit einer Leistung von 2,2 Megawatt und drei 800 kVA Trafos errichtet.
Gesteuert wird die Anlage über eine Lademanagementsystem des Init-Tochterunternehmens CarMedialab. Hierbei wurde insbesondere auf Kompatibilität zu dem bestehenden Betriebshofmanagementsystem –– geachtet.
Die Inbetriebnahme des neuen E-Bus-Depots konnte nach etwas mehr als einem Jahr im Juni 2022 erfolgen. Die Kosten für den Umbau belaufen sich auf rund 11 Millionen Euro.
Förderungen
Die Anschaffungskosten pro E-Bus sind mit rund 650.000 Euro ca. doppelt so hoch, wie die für Dieselbusse. Hinzu kommen die Kosten für den Umbau des Betriebshofs sowie der Ladeinfrastruktur.
Die Leipziger Verkehrsbetriebe haben daher verschiedene Fördermittel beantragt und bewilligt bekommen, um die Mehrkosten abzufedern bzw. die Investitionen tätigen zu können.
- 38 vollelektrische Busse (80% der Mehrkosten ggü. Dieselbus)
- 38 Ladepunkte für den Betriebshof Lindenau
- Neun Schnelladestationen
- Entwicklung eines Lademanagementsystems
EFRE-Förderung – koordiniert durch das Land Sachsen
- Fahrzeuge: 75% der Kosten des Grundfahrzeugs (vergleichbarer Dieselbus)
LASuV-Förderung – koordiniert durch das Land Sachsen
- Hochbau Bus-Port, Verkehrsfläche und Kabeltiefbau im Betriebshof Lindenau
Aktueller Stand & Ausblick
- Im September 2022 sind 21 E-Busse mit 12 Metern Länge im Betrieb und haben bereits über 850.000 Kilometer an Fahrleistung erbracht.
- Ab Herbst erfolgt der Probebetrieb mit elektrischen Gelenkbussen auf der Linie 60. Bis 2023 soll die Linie 60 vollständig auf E-Busse umgestellt sein.
- Die Planung für eine Erweiterung des Betriebshofs laufen bereits, um perspektivisch ausreichend Platz für die Anschaffung weiterer Elektrobusse bzw. deren Ladeinfrastruktur zu haben.
- Aktuell wird eine Studie ausgeschrieben, die unter anderem den möglichen Einsatz von Brennstoffzellenfahrzeugen untersucht. Die Leipziger Verkehrsbetriebe wollen – insbesondere für die Planung eines weiteren Betriebshofs – technologieoffen bleiben.
Erfahrungen & Herausforderungen
- Die Elektrobusse kommen sowohl bei den Kunden und als auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr gut an. Insbesondere der gesteigerte Fahrkomfort durch die verringerten Geräusche wird positiv wahrgenommen.
- Die Einführung der E-Busse betrifft fast alle Bereiche des Unternehmens. Um die verschiedenen Abteilungen und Personen zu koordinieren, wurde ein Projektteam gebildet, das die verschiedenen Stellen und deren Kenntnisse miteinander koordiniert.
- Um das Personal auf die Umstellung vorzubereiten, wurde zunächst ein Pool von interessierten Fahrerinnen und Fahrern gebildet, die eine Schulung für die E-Busse erhalten haben. Dieser Personenkreis wurde dann sukzessive erweitert, so dass heute der Großteil des Personals auch für E-Busse ausgebildet ist.
- Eine Besonderheit der E-Busse ist die richtige Positionierung der Fahrzeuge unter dem Pantografen. Dies benötigte anfangs etwas Übung, gehört mittlerweile aber zur alltäglichen Routine der Fahrerinnen und Fahrer.
- Auch das Werkstattpersonal muss sich auf die Technik von Elektrobussen umstellen. Durch die mehrjährige Testphase mit den Hybridbussen gab es zwar erste Erfahrungen sowie einen Prüfstand für E-Busse. Dennoch sind für die Umstellung der Flotte gezielte Qualifizierungen nötig.
- Voraussetzung für eine erfolgreiche Einführung von E-Bussen, ist die Beteiligung der Kommune: Auch hier sollten frühzeitig alle relevanten Stellen eingebunden und aktiv koordiniert werden. Dazu gehören beispielsweise Verkehrs- und Tiefbauamt, Amt für Bauordnung und Denkmalpflege, Stadtplanungsamt, Amt für Stadtgrün und Gewässer sowie die Liegenschaftsämter. Als hilfreich haben sich persönliche Gespräche und Vor-Ort-Termine, z. B. an den geplanten Schnellladepunkten in der Stadt, herausgestellt.
- Im Rahmen der Errichtung der Ladeinfrastruktur an den Endhaltestellen waren größere Umbaumaßnahmen nötig. Dabei mussten sowohl mit den jeweiligen Eigentümern der Flächen als auch mit der Denkmalschutzbehörde verhandelt werden, um die Planung umsetzen zu können. Hilfreich waren auch hier die vor-Ort-Termine, um mit allen Beteiligten über das konkrete Projekt zu sprechen. Die Gesprächsprozesse haben teilweise mehrere Monate in Anspruch genommen.
- Der Umbau des Betriebshofs erfolgte im laufenden Betrieb. Dadurch sind zeitweise diverse Abstellflächen entfallen und es musste eine Möglichkeit zur Interimsabstellung geschaffen werden. Die Ausstattung und Inbetriebnahme der Ausweichfläche war mit zusätzlichen Kosten verbunden, die ursprünglich nicht eingeplant waren.
- Beim Umbau des Betriebshofs kam es zu Lieferverzögerungen der Mittelspannungsanlage von mehr als sieben Monaten. Die Ladeinfrastruktur konnte daher erst später als geplant in Betrieb genommen werden. Zudem verzögerte sich der Bau durch die unvorhergesehene Entsorgung von Altlasten und den Ausbau der Niederschlagsentwässerung.
- Für technische Abnahmen der Ladeinfrastruktur, den Anschluss ans Mittelspannungsnetz oder auch Baugenehmigungen sowie Eigentümerzustimmungen sollte ausreichend Zeit eingeplant werden, da diese teils erhebliche Zeitressourcen beanspruchen.
Hintergrund
Hinter den Bestrebungen der Leipziger Verkehrsbetriebe steht ein klarer politischer Wille. Vorgaben zur Luftreinhaltung, zu Klimaschutzzielen sowie zur Lärmreduktion im Rahmen des Green City Masterplan machen einen Wechsel der Antriebstechnologien alternativlos. Die Vorgabe der Stadt Leipzig lautet: Bis 2040 soll der ÖPNV komplett lokal CO2-neutral unterwegs sein – primär durch den Einsatz von E-Bussen.
Hinzu kommen die Vorgaben der Clean Vehicle Directive (CVD), wonach bis Ende 2025 45% der Busse emissionsfrei bzw. -arm beschafft werden müssen. Bis Ende 2030 sind es sogar 65%.
Hinzu kommt aber auch, dass durch die leisen und lokal emissionsfreien Fahrzeuge die Lebensqualität in der Stadt erhöht wird. So profitieren sowohl die Bewohnerinnen und Bewohner als auch der touristische Sektor und der Handel in der Innenstadt von der Elektrifizierung des ÖPNV.
BMU, EFRE, LASuVKey facts
Fahrzeuge
Ladeinfrastruktur
Förderung
Kontakt
Projektleiter/Koordinator Elektrobus
Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH
Lützner Str. 125
04179 Leipzig