Kommunale Flotte // 28.05.2021
2016 hat Aachen damit begonnen seine kommunale Flotte zu elektrifizieren. Im Jahr 2023 fahren 50% der Flotte mit elektrischem Antrieb. Ein wichtiger Baustein dabei war die Änderung der Dienstfahrtenregelung und die Einführung von multimodalen Mobilitätsangeboten in der Verwaltung.
Hintergrund
Aachen steht vor einer Situation wie sie viele andere Kommunen auch kennen: Ein hohes Fahrzeugaufkommen in der Stadt und folglich hohe Schadstoffbelastungen durch Stickoxide und Feinstaub. Helfen sollen unter anderem weniger Fahrzeuge, die Umstellung auf mehr elektrische Antriebe und ein vielseitiges, flexibles Mobilitätsangebot.
Die Zielvorgabe für Aachen ist ambitioniert: Im Januar 2020 hat der Rat der Stadt Aachen beschlossen, dass die Stadt Aachen nicht mehr CO2 verbrauchen soll, als für das 1,5 Grad-Ziel zulässig ist. Dieses Budget wäre nach heutigem Fahrplan 2028 aufgebraucht. Danach wäre nur klimaneutrales Handeln, also auch klimaneutraler Verkehr erlaubt.
Mit der Elektrifizierung des Fuhrparks ist die Aachener Verwaltung mit positivem Beispiel vorangegangen. Im Luftreinhalteplan 2015 wurde die Maßnahme entwickelt und anschließend umgesetzt.
Im Rahmen der Elektrifizierung wurde weit mehr umgesetzt als nur der Austausch von konventionell angetriebenen Fahrzeugen gegen E-Fahrzeuge. Denn ein 1:1 Austausch der Fahrzeuge hilft zwar gegen Schadstoffemissionen, verbessert jedoch nicht die hohe Fahrzeugdichte in der Stadt.
Die Verwaltung hat daher ihr Mobilitätsverhalten grundlegend auf den Prüfstand gestellt und die Beschaffung von E-Fahrzeugen als Teil einer umfassenden, multimodalen Lösung mit unterschiedlichen Mobilitätsangeboten gedacht. PKW sind somit nur eines von mehreren möglichen Verkehrsmitteln. Eine zentrale Rolle spielt bei dieser Umstellung die überarbeitete Dienstfahrtenregelung für die Angestellten der Stadt.
Neue Dienstfahrtenregelung
Die bis 2018 gültige Dienstfahrtenregelung in Aachen sah vor, dass fast alle Dienstfahrten in Aachen mit privaten PKW durchgeführt und anschließend pro Kilometer abgerechnet werden. Eine verwaltungseigene Flotte, die von jedem Mitarbeitenden genutzt werden konnte, war bis dahin nicht vorhanden. Lediglich einige Fachbereiche beschafften eigene Fahrzeuge.
Mit der neuen Regelung sind Dienstfahrten im privaten PKW grundsätzlich nicht mehr möglich, was für einige Mitarbeitende eine Einschränkung oder Umstellung bedeutete. Denn bspw. die Verknüpfung von Dienstfahrten im eigenen Auto mit dem Heimweg ist nicht mehr abrechnungsfähig.
Stattdessen wurde ein Pool von mittlerweile 21 E-Fahrzeugen geschaffen, die über eine App bzw. über den PC von jedem Mitarbeitenden für dienstliche Fahrten genutzt werden können. Darüber hinaus kommen Pedelecs des Aachener Anbieters Velocity zum Einsatz. Für die „Überlast“ zu häufig frequentierten Zeiten stehen die Fahrzeuge des Carsharing-Anbieters „cambio“ zur Verfügung. Die Karte, die zum Öffnen der Fahrzeuge verwendet wird, berechtigt außerdem zur kostenlosen Nutzung des ÖPNV.
Das Vorgehen
Aachen startete den Aufbau der kommunalen E-Flotte mit einer fundierten Analyse des bestehenden Mobilitätsverhaltens. Diese war Teil des Projekts „eMoVe“ – elektromobiler Mobilitätsverbund Aachen“, das im Rahmen des Förderschwerpunkts „Elektromobilität in Modellregionen“ durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert wurde.
Im Februar 2016 wurden sämtliche Fahrten ausgewählter Fachbereiche über einen Zeitraum von 6 Wochen erfasst und in Hinblick auf Distanz, Fahrtdauer, Personenzahl und Zuladung ausgewertet. Anschließend wurden die Anforderungen an den kommunalen Fuhrpark hinsichtlich der benötigten Fahrzeuganzahl, Fahrzeuggröße sowie Ladeinfrastruktur ermittelt. Die Analyse wurde mit einem externen Beratungsunternehmen (Ecolibro) durchgeführt und bildete die Grundlage für die dann folgende Umsetzung.
Die Analyse ergab unter anderem: 97 % aller Fahrten liegen unter einer Fahrdistanz von 80 Kilometern, meist werden nur 1-2 Personen befördert und das Gepäckvolumen kann in der Regel mit Kleinstfahrzeugen bewältigt werden.
Ende 2016 erfolgte dann die Anwendung der neuen Dienstfahrtenregelung im Rahmen eines Pilotprojekts an zwei Verwaltungsstandorten. Für diesen Schritt wurden zunächst vier Fahrzeuge eingesetzt und ebenso viele Ladepunkte errichtet. Die Ladepunkte wurden an den entsprechenden Verwaltungsgebäuden errichtet. Alle Ladepunkte sind öffentlich zugänglich, werden aber überwiegend intern genutzt, da es ausreichend öffentliche Ladepunkte in der Umgebung gibt.
Die Erfahrungen des Pilotprojekts waren durchgehend positiv, so dass seit November 2017 das Projekt auf die Verwaltungsstandorte in der Aachener Innenstadt ausgeweitet wurde. Dort wurde die neue Dienstwagenregelung verbindlich für alle Mitarbeitenden eingeführt. Insgesamt wurden inzwischen 21 Elektro-Poolfahrzeuge beschafft, die von allen Verwaltungsmitarbeitenden genutzt werden können.
Die Umstellung wurde durch mehrere interne Eröffnungs-Veranstaltungen begleitet, um die Mitarbeitenden in die Umstellung einzubinden, für die Notwendigkeit der Veränderungen zu werben und auch um ganz konkrete Fragen zu beantworten: Wie können Fahrzeuge gebucht werden? Wie funktioniert die Buchungsplattform und die Abrechnung? Wie funktioniert das Laden der E-Fahrzeuge?
Ein Zugang für alle Angebote – die App „MovA“
Herzstück des multimodalen Systems ist die App „movA“. Sie bietet nicht nur einen Routenplaner, sondern je nach Strecke gleich die Buchung für das passende Mobilitätsangebot (Pedelecs, E-Fahrzeuge, ÖPNV-Ticket).
Die App wurde von der ASEAG, den Aachener Verkehrsbetrieben, entwickelt und stellt die zentrale Mobilitäts-App für alle Bürger*innen dar. Für die Verwaltung wurde die App erweitert, um für die Mitarbeitenden ein integriertes Angebot zu schaffen und einen möglichst einfachen Zugang. Um dienstliche und private Fahrten zu unterscheiden, können die Mitarbeitenden in der App zwischen zwei Profilen wählen. Die App ist inzwischen auch in anderen Städten in Deutschland unter verschiedenen Namen im Einsatz.
In der Vergangenheit hat jeder einzelne Mitarbeitende seine Kilometergeld-Abrechnungen der Fahrten, die mit dem eigenen Privatfahrzeug durchgeführt wurden, selbst durchgeführt und beim Fachbereich Personal und Organisation eingereicht. Dieser Schritt ist nun nicht mehr notwendig, der Abrechnungsaufwand hat sich dadurch deutlich verringert.
Operativer Betrieb
Für den technischen Betrieb der eigenen elektrischen Flotte hat die Stadtverwaltung einen Rahmenvertrag mit einem lokalen Carsharing-Anbieter geschlossen. Dieser kümmert sich um die Wartung, Reinigung und ggf. Reparaturen der Flottenfahrzeuge.Die 21 PKW der Verwaltungsflotte sind werktags bis 17 Uhr exklusiv für Verwaltungsmitarbeitende reserviert. Darüber hinaus können die meisten Fahrzeuge dann von Bürger*innen im Rahmen des Carsharing-Angebots genutzt werden. Umgekehrt stehen die Carsharing-Fahrzeuge der Verwaltung für Dienstfahrten zur Verfügung, wenn die Pool-Fahrzeuge ausgebucht sind.
Durch die elektronische Einbindung der Fahrzeuge in ein gemeinsames Buchungssystem und die Nutzung gemeinsamer Stellplätze wird so eine höhere Auslastung der Fahrzeuge ermöglicht.
Alle Mitarbeitenden der Verwaltung erhalten eine Mobilitätskarte mit RFID-Chip. Diese ermöglicht das Öffnen und Starten der Fahrzeuge. Gleichzeitig kann sie zum Ausleihen von Pedelecs sowie für den ÖPNV genutzt werden.
Ausblick
- Als weiteres Verkehrsmittel ist die Integration von E-Scootern in Planung.
Learning
Die Aachener Verwaltung zieht insgesamt ein positives Fazit nach der Umstellung ihres Mobilitätsangebots: Der Wunsch und die Notwendigkeit nach klimaneutraler Mobilität in der Verwaltung haben überzeugt und wurden von der Belegschaft unterstützt. Dazu beigetragen haben mehrere Faktoren:
- Die Einführung eines vielseitigen und leicht bedienbaren Angebots hat die Umstellung für die Mitarbeitenden erleichtert.
- Während der Pilotphase konnte die Tauglichkeit des Konzepts im kleinen Rahmen erprobt werden. Durch Fragen und Hinweise der Nutzer*innen konnte das Angebot weiterentwickelt und verbessert werden.
- Konsequente Unterstützung des neuen Angebotes und Überprüfung dazu nicht mehr passender Strukturen: Die Parkvergünstigungen für Personen, die ihren Pkw für Dienstfahrten nutzen, wurden abgeschafft. Zeitgleich wurde die Bewirtschaftung der Parkplätze an Verwaltungsgebäuden eingeführt.
- Das Jobticket wurde im Jahr 2021 auf alle Verwaltungsmitarbeitende ausgeweitet und im Preis reduziert. Es kostet rund 30 Euro. Auch das Dienstrad-Leasing für alle Verwaltungsmitarbeitenden soll im Frühjahr 2024 starten.
- Der Aachener Stadtbetrieb ist verantwortlich für die Ausschreibungen der Fahrzeuge und hat sich auf die neue Technologie eingelassen. Eine wichtige Voraussetzung hinsichtlich der Beschaffung, da hier gesteuert und bewertet wird, ob konventionelle oder elektrische Fahrzeuge eingesetzt werden.
- Die politische Unterstützung und insbesondere die Präsenz der Verwaltungsspitze hat die interne Kommunikation erleichtert. Die Einführung wurde durch Umfragen begleitet, die eine Zustimmung von 75 Prozent ergaben. Intensive interne Kommunikation: z.B. durch Einführungsveranstaltungen (mit jeweils 100-200 Personen) zum Start des neuen Angebotes, um dafür zu werben und praktische Fragen des täglichen Umgangs zu klären.
- Fördermittel sind wichtiger Hebel in der Verwaltung, um innovative Projekte zu realisieren, insbesondere bei teuren Sonderfahrzeugen.
- Auch finanziell hat sich die Elektrifizierung der Flotte gelohnt: die Gesamtkosten für die Verwaltungsmobilität sind gesunken.
Verschiedene Förderprogramme des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen (z. B. progres.nrw) Kommunale Flotte: Von insgesamt 157 PKW der Stadt sind 78 mit alternativen Antrieben ausgerüstet. Das entspricht einer Quote von rund 50 Prozent. Verwaltungsfuhrpark: 21 Pool-Fahrzeuge (eSmart, Renault ZOE): 100 % elektrifiziert Umfangreiche Ladeinfrastruktur an Verwaltungsstandorten wurde im Projekt „ALigN“ realisiert, das am 31. Dezember 2023 zu Ende ging. Es wurde vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert. Axel Costard (Kommunales Mobilitätsmanagement) Tel. +49 241 432 6077Key facts
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